5. Sarfert Radtour
Entlang der Neiße und Oder

Unsere Tour sollte uns von Süd nach Nord, aus dem sächsischen Zittau bis ins brandenburgische Schwedt und immer entlang der Flüsse Neiße und Oder, in deren Mitte die Landesgrenze zu Polen verläuft, führen.
In 5 Tagen fuhren wir insgesamt 450 km auf gut ausgebauten Radwegen. Wir hatten nur wenige Steigungen zu meistern und auch das Wetter meinte es meistens gut mit uns. Wir übernachteten in Görlitz, Forst, Frankfurt/Oder und Schwedt und nutzen die Bahn für die An- und Rückreise. Die Vielzahl schöner Eindrücke ließ auch diese Tour zu einem unvergesslichen Erlebnis werden.

Samstag, 23. Juni 2007 - Görlitz
Um 5.15 Uhr starten mein Schwager Horst Kremmeicke und ich die im Frühjahr geplante Oder-Neiße-Radtour. Doch vor dem eigentlichen Start stand die Anreise mit der Bahn von Oebisfelde über Berlin nach Zittau. Knapp 7 Stunden waren nötig, bis uns die Regionalzüge der Bahn mit unseren Fahrrädern in die Dreiländerstadt Zittau gebracht hatten. Es war warm und nur wenige Wolken waren zu sehen. www.zittau.de
Wir waren uns einig, schnell noch einen Abstecher ins nahegelegene Böhmen (Tschechien) zu machen. Belohnt wurden wir dafür mit einem reichlichen Mittagessen (Knoblauchsuppe, riesiges leckeres Schnitzel mit Salat und dazu ein großes Bier). Es schmeckte vorzüglich und als die Rechnung kam, waren wir sprachlos. Nur 12,35 Euro sollte das Mahl für uns beide zusammen kosten! Nun wunderten wir uns nicht mehr, warum hier soviel Gäste aus Deutschland waren. Ein Ehepaar an unserem Tisch erzählte: „Wir verbringen hier immer unseren Urlaub. Nehmen Quartier in Deutschland und fahren zum Schlämmen und Einkaufen nach Tschechien oder Polen“. Ganz zufällig trafen wir sie dann schon einen Tag später beim Einkauf auf der polnischen Seite bei Bad Muskau.
Etwas schwerfällig fuhren wir nun weiter Richtung Görlitz. Vorbei an den typischen Umgebindefachwerkhäusern machten wir noch einen Stopp in der Nähe von Ostritz. Dort befand sich in idyllischer Lage direkt an der Neiße das sehr schöne Zisterzienserkloster St. Marienthal. www.kloster-marienthal.de Früheres Klosterleben prägte hier den Leitspruch „ora et labora“ (bete und arbeite). Heute Begegnungsstätte mit Übernachtungsmöglichkeiten. Vorbei am Berzdorfer See, einer ehemaligen Braunkohletagebaustätte, die nun geflutet und zu einem Naherholungsgebiet ausgebaut wurde, erreichten wir gegen 19.30 Uhr Deutschlands östlichste Stadt Görlitz. www.goerlitz.de
In der Altstadt fühlten wir uns wie in einer mittelalterlichen Stadt. Hübsche Bürgerhäuser strahlten im alten Glanze und die Gastronomie lud überall zum verweilen ein. Im Hotel Frenzelhof am Untermarkt bekamen wir noch zwei schöne Zimmer. www.frenzelhof.de
Dieses ehemalige Tuchhändlerhaus eines reichen Görlitzer Kaufmanns wurde uns nach dem Abendessen durch den Chef des Hauses, Andre Weigmann, persönlich gezeigt. Eines der ältesten Hallenhäuser, mit einer Erdgeschosshalle, früher zum Einfahren der Fuhrwerke – heute ein Cafe, und einer Zentralhalle, damals Warenumschlagsplatz und zum Zeigen der Tücher – heute Rezeption und zweckentfremdet als Stellplatz für unsere Fahrräder. In dem großen repräsentativen Saal mit Aquamanil (Waschmöglichkeit in einer Wandnische) und einem Wandschrank befand sich das Restaurant. Doch das Herzstück des Hauses ließ uns sprachlos werden. Wohl einmalig, ein spätgotisches Gewölbe noch mit den alten religiösen Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert. Hier befand sich die Schatzkammer und Privatkapelle der Kaufmannsfamilie Frenzel. Dieser geschichtsträchtiger Aufenthaltsort machte unseren kurzen Aufenthalt natürlich zu einem besonderen Erlebnis. Anfangs wunderten wir uns, dass uns an diesem Abend viele Personen in historischen Gewändern begegneten. Es stellte sich bald heraus, dass hier für das Volksstück „Jakob Böhme und die Pest in Görlitz“, geprobt wurde. In der kommenden Woche sollte das Stück auf einer Freilichtbühne am Untermarkt uraufgeführt werden.

Sonntag, 24. Juni 2007 – Rosengartenstadt Forst
Nach dem Frühstück starteten wir die II. Etappe unserer Tour. Die Sonne schien und es ging zügig voran. Wir beschlossen, dem Luftfahrtmuseum in Rothenburg noch einen Besuch abzu-statten. Freudig wurden wir empfangen und hörten auch sogleich von den Problemen des Mu-seumsvereins. Zu wenig Besucher, das Interesse fehlt und auch einigen ist das Eintrittgeld von 1,50 Euro dann noch zu hoch. Wir empfanden das Gegenteil. Das Museum befand sich auf einem ehemaligen NVA-Flugplatz. Auf dem Freigelände standen 13 Flugzeuge und 2 Hubschrauber. Stolz durfte Schwager Horst in einer MiG platz nehmen und ließ sich auch sonst jedes Detail zeigen und erklären. Beeindruckt waren wir auch von der Triebwerkshalle und dem Ausstellungspavillon mit vielen Exponaten zur Fliegerei. Wir bedankten uns herz-lich für die private Führung und wünschten für die Zukunft mehr Besucher, damit wenigstens die notwendige Unterhaltungskosten gedeckt werden können.
www.luftfahrtmuseum-rothenburg.de
Weiter ging es durch die Muskauer Heide nach Podrosche. Dort fuhren wir erstmals über die Grenze nach Polen, um ein Eis zu lecken und unseren Getränkevorrat aufzustocken. Dann kamen wir nach Bad Muskau. Hier erlebten wir eine regelrechte Völkerwanderung. Lange Autoschlangen und viele Fußgänger auf der Neißebrücke. Alle wollten nach Polen zum „Po-lenmarkt“. Also fuhren auch wir mit unseren Fahrrädern, um zu sehen, was es dort Besonderes geben sollte. Eine kleine Budenstadt, die es aber in sich hatte. Hier gab es Zigaretten, die Stange für 12,00 Euro (in Deutschland 40,00 Euro), Textilien und alles Mögliche für den täglichen Bedarf, nur eben viel günstiger als in Deutschland. Die Deutschen tätigten hier ihren preiswerten Sonntagseinkauf und füllen außerdem ihren Tank um 20% günstiger. Das war lohnend und niemand fühlte sich unwohl dabei. Wir kauften 3 Ledergürtel, das Stück für 5,00 Euro, und aßen eine Krakauer. Das Bier dazu schmeckte sehr gut, doch die Wurst hatte einfach nicht die erwartete Qualität. Zufällig trafen wir dann auf das deutsche Ehepaar, das wir aus Tschechien kannten. Sie waren, wie die vielen anderen auch, auf Einkaufstour und wollten am Abend wieder zum Schlemmern in das Wirtshaus nach Böhmen. Wir wünschten ihnen schon jetzt einen Guten Appetit! Kurz vor dem Grenzwechsel kauften wir bei einem Mütterchen noch ein Schälchen frischer Blaubeeren. Sie schmeckten uns vorzüglich mit Vanilleeis aus einer Eisdiele in Bad Muskau.
Jetzt lockte der bekannte Fürst-Pückler-Park. www.muskauer-park.de Wir fuhren durch das schöne Parkgelände, vorbei am Schloss und dann auch schon weiter nach Forst. Empfangen wurden wir dort von der ausklingenden Stimmung des Stadtfestes im bekannten Rosengarten. Noch ein bisschen Innehalten, ein Blick auf die vielen schönen Rosen und dann fuhren wir um 19.30 Uhr zum Hotel Haufe.

Montag, 25. Juni 2007 – Frankfurt/Oder
Wieder auf dem Radweg, ging es durch das komplett angelegte Dorf Neu-Horno. Der Braunkohlebergbau hatte in den 90ziger Jahren die Heimat aller Dorfbewohner in Horno geschluckt. Es folgte die Umsiedlung. Zum Ausgleich gab es dann für jeden ein neues Häuschen.
Zur Mittagszeit erreichten wir Guben. www.guben.de
Bekannt durch den Neubürger Gunther von Hagen. Er hatte hier eine ehemalige Textilfabrik erworben, um dort seine Ausstellung Körperwelten dauerhaft zeigen zu können. Alles befand sich noch in der Bauphase und eine Besichtigung war für uns leider an diesem Tag nicht möglich. www.plastinarium.de
In Bresinchen kam uns ein Badeteich zur rechten Zeit. Wir genossen das herrliche Wasser in diesem natur belassenen Umfeld und machten uns dann erfrischt auf den Weg nach Ratzdorf. Hier mündete die Neiße in die Oder. Aus der friedlich dahinfließenden kleinen Neiße wurde nun ein großer, manchmal wohl auch unberechenbarer, Strom, die Oder.
Vorbei an Eisenhüttenstadt kamen wir gegen 17.00 Uhr nach Frankfurt an der Oder. Direkt an der Promenade trafen wir auf einen ehemaligen Frankfurter, der uns viel über die Kleiststadt erzählte. In den Kriegswirren verschwanden alle 117 Glasfenster der St. Marienkirche. Bis auf 6 Exemplare (sind inzwischen im Moskauer Puschkin Museum aufgetaucht) hat die Stadt inzwischen alle zurück.
www.frankfurt-oder.de
www.st-marien-ffo.de
In einem schönen Jugendstilhaus bekamen wir noch zwei Einzelzimmer. Das Hotel Gallus stand unter deutsch-polnischer Leitung. Alles Personal war aus Polen. Im Hotelrestaurant gab es keine Speisekarte. Wir hatten drei Gerichte zur Auswahl. Fisch, Gulasch oder Pizza. Wir nahmen die Pizza und tranken dazu Weiswein. Letztendlich hatte es besser geschmeckt als Anfangs vermutet.

Dienstag, 26. Juni 2007 – Schwedt
Wie am Vortag auch, war die Elektronik auch hier nicht einsatzwillig. Bezahlen mit der Scheck- oder Kreditkarte war nicht möglich. Bargeld wurde dafür gern genommen. Von Frankfurt fuhren wir dann nach Lebus. www.amt-lebus.de
Hier zeigte sich die Oder von ihrer schönsten Seite. Viel unberührte Natur, ließ uns das Landschaftsbild sehr abwechslungsreich erscheinen. Wir genossen die Fahrt. Unterwegs trafen wir auf einen Schäfer mit 900 Tieren. Er klagte über die fehlenden Perspektiven für die Jugend. Noch ein weiteres Mal fuhren wir bei Küstrin-Kietz auf die polnische Seite. Hier fanden wir ein Einkaufsparadies ungeahnter Größe. Rechts und links Bude an Bude und in der Mitte einen nicht enden wollenden langen Gang. Alles war überdacht und es reihten sich noch vier weitere Budengänge gleicher Bauart aneinander. Mag sein, dass die gesamte Einkaufsmeile sich auf etwa 3 Kilometer hinzog. Wir wussten nichts zu kaufen und überließen das Feld den vielen Bustouristen, die in Scharen aus dem nahen Berlin kamen.
Durch den wenig besiedelten Oderbruch führte uns jetzt der gut ausgebaute Radweg. Wir freuten uns auf das Rasthaus Zollbrücke, wo wir uns mit Eisschokolade stärkten. In Hohenwutzen war plötzlich mein Vorderreifen platt. Gut zu wissen, mit Horst einen Fachmann da-bei zu haben. Jetzt freuten wir uns sogar über einen ordentlicher Regenguss, so konnten wir in einer Pfütze die undichte Stelle im Schlauch finden und flicken.
Nach der bisherigen Beschilderung müssten es noch 10 km bis Schwedt sein und wir beschlossen, durchzufahren. Doch weit gefehlt. Nach einem ordentlichen Stück Strecke ein Wegweiser: Noch 19,5 km bis Schwedt! Hatten die Brandenburger ein anderes Rechenmaß? Nun setzte noch Dauerregen ein und zwei Umleitungen forderten unsere ganze Logistik. Zum Glück bekamen wir ordentlichen Rückenwind. Gegen 20.00 Uhr fanden wir im schönen „O-der-Hotel“ bei Schwedt Unterschlupf. Das Abendessen schmeckte uns nach dieser strammen Tagesetappe (125 km) besonders gut. www.oder-hotel.de

Mittwoch, 27. Juli 2007 – Heimreise über Berlin
Auf polnischer Seite kauften wir noch Pfifferlinge und Knoblauch. Dann ging es mit der Bahn von Schwedt nach Berlin. Die 90 Minuten Aufenthalt nutzen wir noch, um eine Currywurst zu essen und uns das Brandenburger Tor anzuschauen. Dann brachte uns die Bahn über Mag-deburg nach Wolfsburg. Gegen 19.00 Uhr war für uns diese schöne Radtour zu Ende.